Servus Papa, See You in Hell

Biografie/Drama, Deutschland 2022

Basierend auf den Erinnerungen von Jeanne Tremsal, die in der Aktionsanalytischen Kommune von Otto Mühl aufwuchs, entstand dieser Spielfilm, der zeigt, wie sich alternative Ideale in autoritäre Strukturen verwandeln können. Jeanne lebt in der Kommune auf dem Bauernhof, seit sie zwei Jahre alt ist. Ihre Mutter und ihr Vater wohnen in Stadtkommunen und kommen nur selten zu Besuch. Dies ist eines der Gesetze, das Otto, der Herrscher der Kommune, so bestimmt: Kinder wachsen ohne Eltern auf. Die 14-jährige Jeanne kennt keine andere Welt, sie genießt ihr Leben in der Umgebung vieler anderer Kinder in der freien Natur. Bis sie sich in den 16-jährigen Jean verliebt und ihr Kindheitsparadies Risse bekommt. Denn jetzt verstößt sie gegen Ottos oberstes Gesetz: „Sex ist erlaubt, aber Liebe verboten.“ Otto verbannt Jean in die Stadtkommune. Und dann ist da noch Ottos unausgesprochenes Privileg: Er kommt nachts in Jeannes Zimmer und berührt sie. Jeanne aber rebelliert. Und dann rebellieren auch die anderen Kinder – gegen die Erwachsenen und gegen die autoritäre Herrschaft Ottos. Cosimo Roth drehte nach den Erinnerungen von Jeanne Tremsal, selbst Schauspielerin und hier Drehbuchautorin. Sie spielt selbst mit, als Mutter von Jeanne, ihrem Alter Ego – die Geschichte hat einen wahren Kern, es geht um die berühmt-berüchtigte Kommune von Otto Mühl (1925-2013). Mühl war Aktionskünstler, Vertreter des Wiener Aktivismus, Anfang der 1970er-Jahre holte er die Kunst-Performance ins Leben zurück. Aus dem Geist der Zeit gründete er seine Kommune, setzte sich an ihre Spitze gesetzt und ließ allen die Freiheit, das zu tun, was seine Regeln vorschreiben. "Servus Papa, See You in Hell" spielt Ende der 1980er-Jahre, als die Kommune am Ende ist, es aber noch nicht merkt. "Die vermeintliche Idylle des Anfangs – junge Leute, die in der freien Natur im Kreis sitzen und musizieren – hält nur kurz an. Denn die Frauen, die in der Mitte stehen und das Wort führen, bedienen sich einer äußerst aggressiven Rhetorik, die auch das Spottlied kennzeichnet, das eine von ihnen auf einen der anwesenden Männer anstimmt. Schließlich wird ein anderer Mann direkt angeklagt: Er habe versucht, eine Frau zu überreden, mit ihm auszuziehen. Willkommen in der geschlossenen Welt einer Sekte, gekennzeichnet durch eine Hierarchie mit einem Guru an der Spitze. Sein Name ist Otto, und wer 1991 schon im lesefähigen Alter war, dürfte sich an die realen Vorkommnisse erinnern. Damals wurde Otto Mühl, in den 60er Jahren als Aktionskünstler bekannt geworden, verhaftet und zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, vorrangig wegen Unzucht mit Minderjährigen in der von ihm 1974 im burgenländischen Friedrichshof etablierten AAO-Kommune. AAO stand für »Aktionsanalytische Organisation«, in der verschiedene psychoanalytische Lehren vermengt wurden mit dem Ziel der Befreiung des Individuums von den Zwängen von Kleinfamilie und Zweierbeziehung. Ein Mittel dafür war die Selbstdarstellung, die Kritik an eigenem Fehlverhalten und das Ausagieren unterdrückter Gefühle mittels Schreien und Tanzen, wie es am Beginn dieses Films steht. (...) Der Film verzichtet weitgehend auf die äußere Uniformität der Kommune (Latzhosen und kurz geschorene Haare), so wie Clemens Schick auch nur selten in den Wiener Sprachduktus Mühls verfällt. Das weitet die Erzählung über den konkreten Fall hinaus, auch wenn offenbleibt, ob es sich bei dem SPÖ-Politiker (ein Gastauftritt von Hanns Zischler), der zu Ottos Geburtstag anreist, aber in erster Linie am Sex mit dessen Schutzbefohlenen interessiert ist, um einen Einzelfall handelt. Überhaupt nimmt der Film die Rolle des Gurus (der Name Mühl fällt nicht) stark zurück. Es sind eher zwei Frauen, die in seinem Sinn den Laden am Laufen halten. Ein perfektes System der Machtausübung, zu der auch die Denunziation von Liebesverhältnissen gehört. »Sex ja – Liebe nein« lautet die Devise. So erwächst die Rebellion der 14-jährigen Jeanne schließlich auch daraus, dass der Junge, in den sie sich verliebt hat, in eine der Stadtkommunen verbannt wird. Am Ende bringt die Beschlagnahmung und Verbrennung der Tagebücher der Kinder das Fass zum Überlaufen: Auf breiter Front rebellieren sie. So funktioniert der Film durchaus als Lehrstück über Macht und Machtmissbrauch im Namen der Freiheit." (Frank Arnold, auf: epd Film) "Zwischen historischer Realität, Erinnerung, filmischem Erleben und Erläuterung der Umstände wandeln Roth und Tremsal ihren Film zum Ende hin zu einer Erzählung der Wunscherfüllung, von endgültiger Befreiung aus der so schrecklichen absoluten, verordneten Freiheit unter Ottos Gewalt. Mühl selbst wurde schließlich verhaftet und verurteilt, unter anderem wegen Kindesmissbrauchs. Die realen Wunden in der Psyche der Überlebenden – beispielsweise von Jeanne Tremsal – heilen nicht." (Harald Mühlbeyer, auf: kino-zeit.de)
117 Min.
HD
FSK 16
Sprache:
Deutsch

Auszeichnungen

Tallinn Black Nights Film Festival 2022 Bestes Produktionsdesign Michael Schindlmeier

Weitere Informationen

Komposition:

Cosimo Flohr

Sound Design:

Tobias Böhm

Produktion:

Andro Steinborn

Besetzung:

Clemens Schick (Otto)

Jana McKinnon (Jeanne)

Hanns Zischler (Politiker)

Aenne Schwarz (Kathrin)

Jeanne Tremsal (Mathilde)

Ina Paule Klink (Susanne)

Leo Altaras (Jean)

Steffen Wink (Josef)

Julia Hummer (Sophie)

Arsseni Bultmann (Otis)

Patrick Schorn (Holger)

Miriam Schiweck (Julie)

Originaltitel:

Servus Papa, See You in Hell

Originalsprache:

Deutsch

Format:

1,85:1 HD, Farbe

Altersfreigabe:

FSK 16

Sprache:

Deutsch